Natur um den Zürichsee

Höckerflohkrebs

Ausländischer Krebs bedroht Kleintiere im Zürichsee © Tages-Anzeiger; 30.03.2006; Seite 15

Der Höckerflohkrebs macht sich breit - er ist wahrscheinlich mit Schiffen eingeschleppt worden.

Von Claudia Imfeld

Zürich. - Während des letzten Monats reiste der Gewässerbiologe Patrick Steinmann rund um den Zürichsee und drehte Steine um. Was er fand, erstaunte ihn: Bis zu 100 Höckerflohkrebse krallten sich an einen einzelnen Stein. «Der Krebs besiedelt bereits den ganzen Zürichsee - von Zürich bis Rapperswil», sagt der Biologe. Damit hatte er nicht gerechnet, als er im Februar vor der Saffainsel erstmals auf die ausländische Krebsart stiess und daraufhin mit ersten Abklärungen begann.

Der Höckerflohkrebs stammt ursprünglich aus der Region des Schwarzen Meers und breitet sich seit einigen Jahren in mitteleuropäischen Gewässern aus. Im Rhein gibt es bereits grosse Populationen, ebenso im Neckar oder auch im Bodensee. Der Krebs lebt versteckt unter grossen Steinen, an Stellen, wo das Wasser seicht ist. Im Zürichsee war sein Vorkommen bis zu Steinmanns Entdeckung nicht bekannt.

Der knapp zwei Zentimeter grosse Krebs bringt ein Problem mit sich: Im Gegensatz zu den einheimischen Flohkrebsarten ist er ein gefrässiger Räuber. Er frisst andere Kleinkrebse, Insektenlarven, möglicherweise auch Würmer und Fischlaich. «Er stellt eine Gefahr für einheimische Wasserkleintiere dar», sagt Steinmann.

Die ersten Abklärungen des Gewässerbiologen haben ergeben, dass der Obersee und die Limmat bisher nicht betroffen sind. Nun stellt sich dem Experten die Frage, ob es dem Höckerflohkrebs in den beiden Gewässern einfach nicht gefällt - weil die Ufer weniger steinig sind - oder ob er die Gebiete schlicht noch nicht erreicht hat. Möglich wäre laut Patrick Steinmann, dass sich der Krebs durch die Limmat bis in die Aare vorarbeitet. Die Sihl hält er für nicht gefährdet. Sie sei dem Tier mit ihrem stark schwankenden Wasserstand vermutlich zu wild.

Klar ist, dass der Höckerflohkrebs nicht auf natürliche Art und Weise in den Zürichsee gelangt ist. Vielmehr ist er laut Steinmann eingeschleppt worden: mit Booten oder Schiffen, die zuvor in anderen Gewässern lagen. «Wenn sich Wandermuscheln an Bootsmotoren festsetzen, hat es dazwischen auch Platz für den Höckerflohkrebs.»

Vernichtung unmöglich

Nächste Woche entscheiden die Anrainerkantone Zürich, Schwyz und St. Gallen, wie sie weiter vorgehen wollen. Die neuen Seebewohner loszuwerden, ist unmöglich. Der See ist zu gross, und die Krebse sind bereits zu zahlreich. Um mehr über die Krebse und ihr Fressverhalten zu erfahren, hält Patrick Steinmann aber eine Bestandesaufnahme im Obersee und in der Limmat für dringend nötig: «Zu hoffen bleibt, dass die Fische den Krebs als neue Nahrungsquelle entdecken und sich der Bestand so wieder einpendelt.»
Fremder Kleinkrebs: Eine Studie soll Auswirkung auf Ökosystem klären © Tages-Anzeiger; 06.04.2006; Seite 16

Zürich. - Einmal da, immer da: Der Höckerflohkrebs, der vor vier Jahren erstmals in der Schweiz im Bodensee entdeckt wurde und sich dort innert kurzer Zeit massiv ausbreitete, besetzt nun auch den Zürichsee (TA vom 30. März). Noch nicht betroffen sind Obersee und Limmat. Den kleinen Viechern ist auch mit drastischen Massnahmen nicht beizukommen, weil sie sich in grossen Gewässern ausserordentlich schnell vermehren.

Fachleute aus den Fischerei- und Jagdverwaltungen der Anrainerkantone Zürich, St. Gallen, Schwyz und Glarus machen sich darum grosse Sorgen. Überall, wo die fremden Kleinkrebse in grosser Population auftauchen, verändern sie das Ökosystem, indem sie die einheimischen Flohkrebsarten verdrängen und letztlich zum Verschwinden bringen können. Das wird sich künftig auf die Zusammensetzung namentlich der Fischarten auswirken. Darum haben die vier Kantone diese Woche an einer Konferenz in Zürich beschlossen, eine Studie in Auftrag zu geben. Diese soll abklären, wie stark der Höckerflohkrebs verbreitet ist und wie schnell er sich vermehrt. In einem zweiten Schritt will man daraus ableiten, auf welche Weise sich das Ökosystem in den nächsten Jahren verändert. So weiss man bis heute nicht, ob die fremden Kleinkrebse eine Nahrungsquelle für Egli sind.

Von Schiffen importiert?

Die ausländischen Tierchen stammen ursprünglich aus der Region des Schwarzen Meers und besiedeln seit einigen Jahren mitteleuropäische Gewässer. Sie hocken, wo das Wasser seicht ist, unter grossen Steinen. In die Schweiz geraten sind sie, weil sie mit Booten oder Schiffen aus dem Donauraum überführt wurden. Vermutlich befanden sich die Kleinkrebse in den Ballastwassertanks. Gerade an diesem Punkt könnte eine mögliche Präventionsmassnahme greifen: Wenn alle Boote und Schiffe, die von einem See in ein anderes Gewässer wechseln, vorgängig ihre Tanks auf einer Wiese ausleeren müssten, würde die Ausbreitung in Grenzen gehalten. (sit)

 

Fischreiher

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